In Teheran ging jetzt eine Ausstellung zu Ende, die nicht dem Klischee iranischen Isolationismus entspricht. Die deutsch-iranische Künstlerin Myriam Schahabian zeigte vielmehr den Versuch von Internationalismus. Harald Klinke berichtet, ob dieses Experiment erfolgreich war.
Als die Künstlerin zusammen mit der Galeristin Rozita Sharafjahan die Werke für die Ausstellung installierte, betrat ein ernst blickender Mann den Raum, ließ wortlos seinen Blick schweifen, ermahnte die Frauen, ihr Kopftuch tiefer in die Stirn zu ziehen und verschwand wieder. Dies war ein Sittenwächter, der im Falle von unverhüllt dargestellter Haut schnell zur Zensur und zum Ausschluss von Werken von der Ausstellung hätte zwingen können. Nichts von dem aber zeigt Schahabian. Vielmehr zeigt sie etwas, was den staatlichen Stellen viel gefährlicher erscheinen müsste – den Blick einer Exilantin auf das eigene Land.
Schahabian verließ im Alter von 16 Jahren mit ihren Eltern das Land. Zu groß waren die Repressalien geworden unter denen die Familie zu leiden hatte, zu sehr hatte die islamische Revolution in den privaten Alltag eingegriffen. Der Kopftuchzwang ist nur ein äußeres Anzeichen der Enge, die den Intellektuellen des Landes den Raum zum Austausch und Ausdruck nahm.
Doch auch in Deutschland, mit all seinen Freiheiten, fühlte sie sich nicht wohl. Denn Deutschland ist weit weg von den kulturellen Wurzeln, dem Kontext, in dem ihre Arbeit Bedeutung hat. Zum ersten Mal betrat sie daher einen „Zwischenraum“ und studierte Kunst in Italien.
„Zwischenräume“, so sagt sie, sind die Orte, an denen sich heute Millionen aufhalten. Menschen, die ihre Heimat aufgeben mussten. Eine Heimat, die sie aber immer noch im Herzen tragen. Menschen, die in den westlichen Ländern Zuflucht gefunden haben, wo sie nun seit Jahren leben.
Schahabian, inzwischen verheiratet und Mutter zweier Kindern, zog es daher wieder in den Iran zurück. Die Einladung der Galerie Azad ermöglichte ihr, über vier Wochen in Teheran auszustellen. Ihr Blick als exilierte Iranerin auf ihre Heimat ist wohlwollen, aber auch nachdenklich. Am deutlichsten wird dies im Werk Real Time Spaces.
Wie leuchtende Marmorschnitte mit urzeitlichen Einschlüssen wirken die fast monumental wirkenden Platten von Satellitenbildern. Tritt man näher heran, werden Landschaften, Straßen und Siedlungen sichtbar, dann Flugzeuge, Hütten und Trampelpfade. Man überquert mit den Augen große Distanzen der Wüste und sucht zwischen der Natur die Spuren der Menschen. Doch die Menschen findet man nicht.
Plötzlich wird einem deutlich, dass man sich in die Rolle eines Voyeurs begeben hat, mit dem erhabenen Gefühl, zu sehen, aber nicht gesehen zu werden. Der überhebliche Blick von oben verspricht Evidenz. Sind die Linien Landebahnen? Wird in den Gebäuden Massenvernichtungsmittel hergestellt? Mit dem Finger auf der Landkarte kann man den Eindruck überlegenen Wissens und Macht verspüren.
Doch die Neugier wird nicht wirklich befriedigt. Was sieht man wirklich? Was wirklich wichtig ist, bleibt hinter der visuellen Information verborgen. Die Sorgen und Nöte, Hoffungen und Träume der Menschen sind so nicht zu finden. Und so tritt man wieder zurück, so weit, bis die Flächen und Linien wieder abstrakt, ornamental und dekorativ werden und nichts mehr etwas bedeutet.
Die Installation bietet daher einen zweiten Blick an. Eine Videoprojektion hinter den Bildern des Satelliten bringt den Blick zurück auf den Boden, auf Augenhöhe mit den Menschen. Ein Moped verschwindet hupend im Dunkeln und nimmt uns mit ins Innere der Wüstenstadt Yazd. Schahabian scheint uns hier mitzunehmen auf ihre eigene Reise. Doch die Höfe des sonst so lebendigen Basars sind seltsam leer. Wo sind die Teppiche, die feilschenden Händler, das geschäftige Treiben? Eine Enttäuschung der Heimkehrerin?
Wieder knattert ein Moped vorbei. Woher kommt es? Wohin will es? In alle Richtungen eröffnen sich labyrinthartig Wege. Wohin? Da steht man nun an einem Ort, von dem man meinte, es sei die Heimat, und ist an einem Punkt angekommen, an dem man sich fragen muss, wohin man will, wohin man gehört. Da hebt sich der Blick wie von selbst nach oben. Hell scheint das Licht durch eine Öffnung im Gewölbe. Eindringlich verdeutlicht Myriam Schahabian in dieser Installation die Identität der globalen Generation, die überall zuhause ist und nirgends.
Die in Karlsruhe lebende Schahabian verleugnet ihre kulturelle Identität nicht, stellt aber die Frage nach der Zugehörigkeit im Global Village. Daher nutzt sie Materialien und eine Bildsprache, die weltweit verstanden wird. Sie thematisiert mit dem Dilemma, vor dem viele stehen, ein hochaktuelles Thema, das nicht nur den Iran betrifft: Tibet ist ein aktuelles Beispiel von vielen anderen, die unter der Oberfläche Deutschlands verborgen sind. Zahlreiche Iraker, Afghanen, ganz zu schweigen von aus afrikanischen Krisengebieten Geflohenen leben unter uns in „Spaces in Between“.
Schahabians Werk spricht von der Sehnsucht nach einem Land der Träume, von immer wieder aufflammender Hoffnung auf Veränderung in der Heimat und der Ratlosigkeit vor Rückschlägen. So haben unabhängige Intellektuelle zum großen Teil bereits im ersten Exodus nach der Revolution das Land verlassen. Die Bevölkerungsexplosion der letzten Jahre hat eine von der Religion infiltrierte Generation hervorgebracht. So hat die Regierung nun das Volk, das es will.
Es ist daher vielleicht kein Wunder, dass die Vernissage der durch das Auswärtige Amt unterstützten Ausstellung zum Treffpunkt der verbliebenen Intellektuellen Teherans wurde. Neben dem deutschen Botschafter kamen eine große Anzahl an Kulturschaffenden, Architekten und Schriftstellern, die sich von Schahabians Werken tief bewegt zeigten. Die Aktualität ihrer Installationen, die Fragen nach Auswanderung und Veränderung aufwerfen, spricht vielen aus dem Herzen. Schahabian gelingt es aber nicht nur, das Schicksal ihrer Landsleute zu reflektieren, sondern es auf eine universelle Ebene zu heben und Aussagen über Heimatlose überall in der Welt zu machen. Schahabians Kunst ist daher von allgemeiner Bedeutung. Der finstere Sittenwächter wird dies wohl nicht verstanden haben.
Die Ausstellung lief vom 1. März bis 15. April in der Galerie Tarrahane Azad in Teheran. Ein Katalog ist verfügbar.
Dr. Harald Klinke, April 2008
Schahabian verließ im Alter von 16 Jahren mit ihren Eltern das Land. Zu groß waren die Repressalien geworden unter denen die Familie zu leiden hatte, zu sehr hatte die islamische Revolution in den privaten Alltag eingegriffen. Der Kopftuchzwang ist nur ein äußeres Anzeichen der Enge, die den Intellektuellen des Landes den Raum zum Austausch und Ausdruck nahm.
Doch auch in Deutschland, mit all seinen Freiheiten, fühlte sie sich nicht wohl. Denn Deutschland ist weit weg von den kulturellen Wurzeln, dem Kontext, in dem ihre Arbeit Bedeutung hat. Zum ersten Mal betrat sie daher einen „Zwischenraum“ und studierte Kunst in Italien.
„Zwischenräume“, so sagt sie, sind die Orte, an denen sich heute Millionen aufhalten. Menschen, die ihre Heimat aufgeben mussten. Eine Heimat, die sie aber immer noch im Herzen tragen. Menschen, die in den westlichen Ländern Zuflucht gefunden haben, wo sie nun seit Jahren leben.
Schahabian, inzwischen verheiratet und Mutter zweier Kindern, zog es daher wieder in den Iran zurück. Die Einladung der Galerie Azad ermöglichte ihr, über vier Wochen in Teheran auszustellen. Ihr Blick als exilierte Iranerin auf ihre Heimat ist wohlwollen, aber auch nachdenklich. Am deutlichsten wird dies im Werk Real Time Spaces.
Wie leuchtende Marmorschnitte mit urzeitlichen Einschlüssen wirken die fast monumental wirkenden Platten von Satellitenbildern. Tritt man näher heran, werden Landschaften, Straßen und Siedlungen sichtbar, dann Flugzeuge, Hütten und Trampelpfade. Man überquert mit den Augen große Distanzen der Wüste und sucht zwischen der Natur die Spuren der Menschen. Doch die Menschen findet man nicht.
Plötzlich wird einem deutlich, dass man sich in die Rolle eines Voyeurs begeben hat, mit dem erhabenen Gefühl, zu sehen, aber nicht gesehen zu werden. Der überhebliche Blick von oben verspricht Evidenz. Sind die Linien Landebahnen? Wird in den Gebäuden Massenvernichtungsmittel hergestellt? Mit dem Finger auf der Landkarte kann man den Eindruck überlegenen Wissens und Macht verspüren.
Doch die Neugier wird nicht wirklich befriedigt. Was sieht man wirklich? Was wirklich wichtig ist, bleibt hinter der visuellen Information verborgen. Die Sorgen und Nöte, Hoffungen und Träume der Menschen sind so nicht zu finden. Und so tritt man wieder zurück, so weit, bis die Flächen und Linien wieder abstrakt, ornamental und dekorativ werden und nichts mehr etwas bedeutet.
Die Installation bietet daher einen zweiten Blick an. Eine Videoprojektion hinter den Bildern des Satelliten bringt den Blick zurück auf den Boden, auf Augenhöhe mit den Menschen. Ein Moped verschwindet hupend im Dunkeln und nimmt uns mit ins Innere der Wüstenstadt Yazd. Schahabian scheint uns hier mitzunehmen auf ihre eigene Reise. Doch die Höfe des sonst so lebendigen Basars sind seltsam leer. Wo sind die Teppiche, die feilschenden Händler, das geschäftige Treiben? Eine Enttäuschung der Heimkehrerin?
Wieder knattert ein Moped vorbei. Woher kommt es? Wohin will es? In alle Richtungen eröffnen sich labyrinthartig Wege. Wohin? Da steht man nun an einem Ort, von dem man meinte, es sei die Heimat, und ist an einem Punkt angekommen, an dem man sich fragen muss, wohin man will, wohin man gehört. Da hebt sich der Blick wie von selbst nach oben. Hell scheint das Licht durch eine Öffnung im Gewölbe. Eindringlich verdeutlicht Myriam Schahabian in dieser Installation die Identität der globalen Generation, die überall zuhause ist und nirgends.
Die in Karlsruhe lebende Schahabian verleugnet ihre kulturelle Identität nicht, stellt aber die Frage nach der Zugehörigkeit im Global Village. Daher nutzt sie Materialien und eine Bildsprache, die weltweit verstanden wird. Sie thematisiert mit dem Dilemma, vor dem viele stehen, ein hochaktuelles Thema, das nicht nur den Iran betrifft: Tibet ist ein aktuelles Beispiel von vielen anderen, die unter der Oberfläche Deutschlands verborgen sind. Zahlreiche Iraker, Afghanen, ganz zu schweigen von aus afrikanischen Krisengebieten Geflohenen leben unter uns in „Spaces in Between“.
Schahabians Werk spricht von der Sehnsucht nach einem Land der Träume, von immer wieder aufflammender Hoffnung auf Veränderung in der Heimat und der Ratlosigkeit vor Rückschlägen. So haben unabhängige Intellektuelle zum großen Teil bereits im ersten Exodus nach der Revolution das Land verlassen. Die Bevölkerungsexplosion der letzten Jahre hat eine von der Religion infiltrierte Generation hervorgebracht. So hat die Regierung nun das Volk, das es will.
Es ist daher vielleicht kein Wunder, dass die Vernissage der durch das Auswärtige Amt unterstützten Ausstellung zum Treffpunkt der verbliebenen Intellektuellen Teherans wurde. Neben dem deutschen Botschafter kamen eine große Anzahl an Kulturschaffenden, Architekten und Schriftstellern, die sich von Schahabians Werken tief bewegt zeigten. Die Aktualität ihrer Installationen, die Fragen nach Auswanderung und Veränderung aufwerfen, spricht vielen aus dem Herzen. Schahabian gelingt es aber nicht nur, das Schicksal ihrer Landsleute zu reflektieren, sondern es auf eine universelle Ebene zu heben und Aussagen über Heimatlose überall in der Welt zu machen. Schahabians Kunst ist daher von allgemeiner Bedeutung. Der finstere Sittenwächter wird dies wohl nicht verstanden haben.
Die Ausstellung lief vom 1. März bis 15. April in der Galerie Tarrahane Azad in Teheran. Ein Katalog ist verfügbar.
Dr. Harald Klinke, April 2008
Eine sehr interessante Ausstellung.
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