Freitag, April 25, 2008

Iran mon amour

In Teheran ging jetzt eine Ausstellung zu Ende, die nicht dem Klischee iranischen Isolationismus entspricht. Die deutsch-iranische Künstlerin Myriam Schahabian zeigte vielmehr den Versuch von Internationalismus. Harald Klinke berichtet, ob dieses Experiment erfolgreich war.

Myriam SchahabianAls die Künstlerin zusammen mit der Galeristin Rozita Sharafjahan die Werke für die Ausstellung installierte, betrat ein ernst blickender Mann den Raum, ließ wortlos seinen Blick schweifen, ermahnte die Frauen, ihr Kopftuch tiefer in die Stirn zu ziehen und verschwand wieder. Dies war ein Sittenwächter, der im Falle von unverhüllt dargestellter Haut schnell zur Zensur und zum Ausschluss von Werken von der Ausstellung hätte zwingen können. Nichts von dem aber zeigt Schahabian. Vielmehr zeigt sie etwas, was den staatlichen Stellen viel gefährlicher erscheinen müsste – den Blick einer Exilantin auf das eigene Land.

Schahabian verließ im Alter von 16 Jahren mit ihren Eltern das Land. Zu groß waren die Repressalien geworden unter denen die Familie zu leiden hatte, zu sehr hatte die islamische Revolution in den privaten Alltag eingegriffen. Der Kopftuchzwang ist nur ein äußeres Anzeichen der Enge, die den Intellektuellen des Landes den Raum zum Austausch und Ausdruck nahm.
Doch auch in Deutschland, mit all seinen Freiheiten, fühlte sie sich nicht wohl. Denn Deutschland ist weit weg von den kulturellen Wurzeln, dem Kontext, in dem ihre Arbeit Bedeutung hat. Zum ersten Mal betrat sie daher einen „Zwischenraum“ und studierte Kunst in Italien.

„Zwischenräume“, so sagt sie, sind die Orte, an denen sich heute Millionen aufhalten. Menschen, die ihre Heimat aufgeben mussten. Eine Heimat, die sie aber immer noch im Herzen tragen. Menschen, die in den westlichen Ländern Zuflucht gefunden haben, wo sie nun seit Jahren leben.
Schahabian, inzwischen verheiratet und Mutter zweier Kindern, zog es daher wieder in den Iran zurück. Die Einladung der Galerie Azad ermöglichte ihr, über vier Wochen in Teheran auszustellen. Ihr Blick als exilierte Iranerin auf ihre Heimat ist wohlwollen, aber auch nachdenklich. Am deutlichsten wird dies im Werk Real Time Spaces.

Wie leuchtende Marmorschnitte mit urzeitlichen Einschlüssen wirken die fast monumental wirkenden Platten von Satellitenbildern. Tritt man näher heran, werden Landschaften, Straßen und Siedlungen sichtbar, dann Flugzeuge, Hütten und Trampelpfade. Man überquert mit den Augen große Distanzen der Wüste und sucht zwischen der Natur die Spuren der Menschen. Doch die Menschen findet man nicht.

Plötzlich wird einem deutlich, dass man sich in die Rolle eines Voyeurs begeben hat, mit dem erhabenen Gefühl, zu sehen, aber nicht gesehen zu werden. Der überhebliche Blick von oben verspricht Evidenz. Sind die Linien Landebahnen? Wird in den Gebäuden Massenvernichtungsmittel hergestellt? Mit dem Finger auf der Landkarte kann man den Eindruck überlegenen Wissens und Macht verspüren.

Doch die Neugier wird nicht wirklich befriedigt. Was sieht man wirklich? Was wirklich wichtig ist, bleibt hinter der visuellen Information verborgen. Die Sorgen und Nöte, Hoffungen und Träume der Menschen sind so nicht zu finden. Und so tritt man wieder zurück, so weit, bis die Flächen und Linien wieder abstrakt, ornamental und dekorativ werden und nichts mehr etwas bedeutet.

Myriam SchahabianDie Installation bietet daher einen zweiten Blick an. Eine Videoprojektion hinter den Bildern des Satelliten bringt den Blick zurück auf den Boden, auf Augenhöhe mit den Menschen. Ein Moped verschwindet hupend im Dunkeln und nimmt uns mit ins Innere der Wüstenstadt Yazd. Schahabian scheint uns hier mitzunehmen auf ihre eigene Reise. Doch die Höfe des sonst so lebendigen Basars sind seltsam leer. Wo sind die Teppiche, die feilschenden Händler, das geschäftige Treiben? Eine Enttäuschung der Heimkehrerin?

Wieder knattert ein Moped vorbei. Woher kommt es? Wohin will es? In alle Richtungen eröffnen sich labyrinthartig Wege. Wohin? Da steht man nun an einem Ort, von dem man meinte, es sei die Heimat, und ist an einem Punkt angekommen, an dem man sich fragen muss, wohin man will, wohin man gehört. Da hebt sich der Blick wie von selbst nach oben. Hell scheint das Licht durch eine Öffnung im Gewölbe. Eindringlich verdeutlicht Myriam Schahabian in dieser Installation die Identität der globalen Generation, die überall zuhause ist und nirgends.

Die in Karlsruhe lebende Schahabian verleugnet ihre kulturelle Identität nicht, stellt aber die Frage nach der Zugehörigkeit im Global Village. Daher nutzt sie Materialien und eine Bildsprache, die weltweit verstanden wird. Sie thematisiert mit dem Dilemma, vor dem viele stehen, ein hochaktuelles Thema, das nicht nur den Iran betrifft: Tibet ist ein aktuelles Beispiel von vielen anderen, die unter der Oberfläche Deutschlands verborgen sind. Zahlreiche Iraker, Afghanen, ganz zu schweigen von aus afrikanischen Krisengebieten Geflohenen leben unter uns in „Spaces in Between“.

Mahmoud DowlatabadiSchahabians Werk spricht von der Sehnsucht nach einem Land der Träume, von immer wieder aufflammender Hoffnung auf Veränderung in der Heimat und der Ratlosigkeit vor Rückschlägen. So haben unabhängige Intellektuelle zum großen Teil bereits im ersten Exodus nach der Revolution das Land verlassen. Die Bevölkerungsexplosion der letzten Jahre hat eine von der Religion infiltrierte Generation hervorgebracht. So hat die Regierung nun das Volk, das es will.

Es ist daher vielleicht kein Wunder, dass die Vernissage der durch das Auswärtige Amt unterstützten Ausstellung zum Treffpunkt der verbliebenen Intellektuellen Teherans wurde. Neben dem deutschen Botschafter kamen eine große Anzahl an Kulturschaffenden, Architekten und Schriftstellern, die sich von Schahabians Werken tief bewegt zeigten. Die Aktualität ihrer Installationen, die Fragen nach Auswanderung und Veränderung aufwerfen, spricht vielen aus dem Herzen. Schahabian gelingt es aber nicht nur, das Schicksal ihrer Landsleute zu reflektieren, sondern es auf eine universelle Ebene zu heben und Aussagen über Heimatlose überall in der Welt zu machen. Schahabians Kunst ist daher von allgemeiner Bedeutung. Der finstere Sittenwächter wird dies wohl nicht verstanden haben.

Die Ausstellung lief vom 1. März bis 15. April in der Galerie Tarrahane Azad in Teheran. Ein Katalog ist verfügbar.

Dr. Harald Klinke, April 2008

Mittwoch, März 12, 2008

Joburg Art Fair (13.-16. März)


Vom 13. bis 16. März findet in Südafrika die Joburg Art Fair statt. Dabei handelt es sich um die erste große Messe afrikanischer Kunst. Organisiert wird sie vom kamerunischen Kurator Simon Njami (geb. 1962), der bereits mit der Ausstellung „Afrika Remix“ im Jahr 2004 und mit dem Afrika-Pavillon der Biennale 2007 auf den Kontinent aufmerksam gemacht hatte.

Natürlich sind die üblichen Verdächtigen von William Kentridge bis Romuald Hazoumé vertreten. Aber auch einige weitere interessante Künstler sind zu finden. Als einziger deutscher Aussteller nimmt die Galerie Herrmann aus Berlin teil. Der Galerist scheint hier der einzig zu sein, der die zeitgenössische Kunst Afrikas jenseits der traditionellen Klischees ernst nimmt. Sie benötigt mehr internationale Beachtung. Werksübersichten wie die Joburg Art Fair könnte dazu beitragen, die interessanten Auseinandersetzung zwischen Tradition und Globalisierung in das Zentrum der Aufmerksamkeit zu bringen.

Video über die Ausstellung (ZDF)
Fotos der Ausstellung

Montag, Februar 18, 2008

Cranach-Ausstellung in Frankfurt zu Ende gegangen

Am vergangenen Sonntag ist die Ausstellung über Lucas Cranach im Frankfurter Städel-Museum zu Ende gegangen. 210 000 Besucher sollen die rund 100 Gemälde gesehen haben, das sind 2700 Menschen täglich. Vermutlich alleine 6000 am letzten Tag. Um dem Andrang gerecht zu werden, war am letzten Wochenende bis Mitternacht geöffnet.
Ab 8. März werden die Bilder in der Royal Academy in London zu sehen sein. Das Verbot der Werbeplakate mit der nackten Venus in der U-Bahn ist offenbar wieder zurückgenommen.

Montag, Februar 11, 2008

Größter Kunstraub in der europäischen Geschichte

Der Sammlung E. G. Bührle in Zürich wurden gestern per Raubüberfall mehrere Gemälde entwendet. Der Wert der vier Objekte wird auf nicht weniger als 113 Millionen Euro taxiert. Es handelt sich um folgende Gemälde:

Graf Ludovic Lepic und seine Töchter von Edgar Degas. Öl auf Leinwand. 65.5 x 81 cm, entstanden um 1871. Auf der hell grundierten Leinwand zeichnet Degas mit hellem, flüchtigem Pinselstrich, den er überall stehen lässt. Auf dieser Pinselvorzeichnung liegen nur dünne durchscheinende Lasuren, so dass ein fast aquarellartiger Effekt entsteht. Damit die weißen Sonntagskleidchen der kleinen Besucher in ihrer schaumigen Helle zur Wirkung kommen, werden die Kinder schnell vor die türkisfarbenen Läden auf die Fensterbrüstung gesetzt, indem sie den Vater einrahmen.
Graf Lepic ist nicht der Auftraggeber, sondern der Freund und Bildhauer, der mit den Impressionisten ausstellte. Es ist kein Bild, das auf vielfältigen Studien aufgebaut ist, vielmehr ein Bild, das die ganze Frische eines ersten Eindrucks bewahrt, das selbst Studie ist.

Blühende Kastanienzweige von Vincent van Gogh. Öl auf Leinwand, 72.5 x 91 cm, entstanden 1890 in Auvers-sur-Oise. Die Provence hatte van Goghs Hoffnungen nicht erfüllt, sondern Enttäuschungen und Krankheit gebracht. Seit Februar 1890 bewegen den Maler in Saint-Rémy Pläne, nach dem heimatlicheren Norden zurückzukehren, wohl ahnend, dass es seine letzte Station sein wird. Der stets hilfsbereite Bruder Theo empfiehlt ihn an Dr. Paul Gachet, den Arzt und Freund der Maler in Auvers-sur-Oise. Nach einem kurzen Aufenthalt in Paris traf er dort am 21. Mai ein.
Die Kastanienbäume an der Straße stehen gerade in Blüte. Er malt die alten Bäume mit ihren prangenden Blütenkerzen, und er bricht die Zweige, um sie in einer nur angedeuteten Vase zusammen mit Rhododendron zu malen. Das Erlebnis japanischer Kunst ist auch in diesem Bilde spürbar, zumal der Künstler, alles Gegenständliche vermeidend, die Blütenzweige auf einen blaugrünen, vibrierend strukturierten Grund setzt.

Mohnfeld bei Vetheuil von Claude Monet. Öl auf Leinwand. 71.5 x 90.5 cm, entstanden um 1880. Das Gemälde umfasst die eigentliche Geburt des Impressionismus, dem Monet mit seinem Bildtitel „Impression, soleil levant“ auf der ersten Ausstellung der Gruppe 1874 unfreiwillig den Namen gegeben hatte, es hatte zu einer einzigartigen Zusammenarbeit der Künstler im Sommer desselben Jahres in Argenteuil geführt, die den endgültigen Durchbruch der Freilichtmalerei brachte, und führte die Künstler doch immer tiefer in unerträgliche Not.
Dies war nicht zu letzt der Grund, weshalb sich Monet noch mehr von Paris absetzte und sich im Januar 1878 in dem kleinen Vétheuil am rechten Ufer der Seine ansiedelte, um dort bis Ende 1881 zu bleiben. Monet malt das nicht mehr in dem von Manet beeinflussten Stil ruhig lagernder Farbflächen, sondern in einem dichten Gewebe von Farbflecken eines feinen Pinsels, der, das Gegenständliche dem Ganzen einschmelzend, das Atmosphärische zum eigentlichen Bildthema macht.

Der Knabe mit der roten Weste von Paul Cézanne, Öl auf Leinwand. 80 x 64.5 cm, entstanden 1894/95. Das Gemälde huldigt ganz der Farbe. Schon das Kostüm des jungen italienischen Berufsmodells, das Cézanne Anfang der neunziger Jahre viermal gemalt und ein weiteres Mal aquarelliert hatte, mit seiner folkloristischen Kleidung, der roten Weste, dem blauen Halstuch und dem blauen Gürtel fordert dazu heraus. Die von links unten nach rechts oben verlaufenden Diagonalen des geneigten Oberkörpers werden durch die entgegengesetzt verlaufenden Diagonalen der Oberschenkel mit dem darauf liegenden rechten Unterarm und dem stützenden linken Unterarm aufgefangen. So ist die dichte Farbigkeit des ersten Eindrucks in ein straff geregeltes Strukturgefüge sich kreuzender Diagonalen eingebettet, die in der Bildebene verlaufen. Der Kritiker Gustave Geffroy sagte schon 1895 von diesem Bild, es halte den Vergleich mit den schönsten Figurenbildern der Malerei aus.

Dienstag, Januar 22, 2008

Neues Buch von Hans Belting

Florenz und Bagdad. Eine westöstliche Geschichte des Blicks
Hans Belting BagdadWie und was wir sehen, ist in hohem Grade von der Kultur geprägt, in der wir leben. Eine Geschichte des Bildes ist daher unvollständig ohne eine Kulturgeschichte des Blicks. Hans Belting vergleicht in seinem neuen Buch den Blick der westlichen Welt, der im Florenz der Renaissance geboren wurde und völlig neuartige Bilder hervorbrachte, mit dem der islamischen Welt. Innerhalb dieser spielte Bagdad als kulturelles Zentrum auch für die Kunst des Westens eine entscheidende, bisher jedoch kaum bekannte Rolle.
Der perspektivische Blick war eine der aufsehenerregendsten Entdeckungen der Renaissance und bewirkte den größten Einschnitt in der Geschichte der westlichen Kunst. Das perspektivische Bild ist heute allgegenwärtig und wird in die ganze Welt exportiert. Seine Dominanz läßt jedoch vergessen, daß es keineswegs unser natürliches Sehen abbildet. Die islamische Welt kennt einen gänzlich anderen Blick, den ihre Kunst widerspiegelt: einen überpersönlichen Blick, der nicht an einen bestimmten Standpunkt in der Welt gebunden ist.
Belting beleuchtet hier auch das Bilderverbot des Islam, denn es tabuisiert schon das bloße Ansehen von Bildern. Aus diesen Voraussetzungen erschließt er die Kunst des Islam, ihre Buchmalerei, ihre Ornamentik und die Rolle der Kalligraphie, auf überraschende und fesselnde Weise neu. Die Erfindung der Perspektive im Westen verdankt sich allerdings einer Entdeckung, die man in der arabischen Welt schon Jahrhunderte vor der Renaissance gemacht hatte: Inmitten einer bilderlosen Kultur entwickelte der Mathematiker Alhazen eine optische Theorie, die die Voraussetzungen für die westliche Perspektivmalerei schuf.
Wieso die islamische Kunst aus dieser Entdeckung andere Konsequenzen zog als der Westen, erklärt Belting aus ihren religiösen, kulturellen und wissenschaftlichen Kontexten. Sein Buch bietet einen souveränen Vergleich zwischen der arabischen und der westlichen Kultur, der uns auch die Augen neu öffnet für die Bilder, von denen wir seit Beginn der Neuzeit umgeben sind.

Donnerstag, Januar 03, 2008

Matthias Grünewald in Karlsruhe

Matthias GrünewaldMatthias Grünewald Karlsruhe (1475/80–1528) widmet die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe derzeit eine Große Landesausstellung. Werke aus eigenem Bestand und internationale Leihgaben werden die expressive Qualität und Strahlkraft seiner Malerei eindrücklich vor Augen führen. Einen neuen Blick auf Grünewald ermöglicht die Zusammenschau mit Arbeiten zeitgenössischer Künstler, die wie er in einer bahnbrechenden Erneuerung der Kunst um 1500 die „Schönheit starker Leidenschaften“ anstrebten.

Die Ausstellung entstand in enger Kooperation mit dem Musée d'Unterlinden in Colmar, das zeitgleich die Ausstellung "Grünewald. Blicke auf ein Meisterwerk" zeigt. Infos zu beiden Ausstellungen unter
www.matthias-gruenewald.com